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Kurzfristige Beschäftigung von Hausmännern – Urteil Bayerisches LSG vom 18. September 2024

Mit Entscheidung vom 09.03.2023 hatte das Sozialgericht Landshut geurteilt, dass die grenzüberschreitende Beschäftigung von Saisonarbeitskräften aus osteuropäischen Niedriglohnländern im Regelfall das Merkmal der Berufsmäßigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV erfülle, die Saisonkräfte also grundsätzlich sozialversicherungspflichtig seien. Nach Überzeugung des Gerichts komme es bei der Prüfung der Berufsmäßigkeit entscheidend auf den Anteil an, den die Vergütung aus der zeitgeringfügigen Tätigkeit an dem Jahreseinkommen der betreffenden Person habe. In das Jahresgesamteinkommen seien alle Einkünfte aus selbständigen und unselbständigen Beschäftigungen sowie Kapitalerträge und sonstige finanzielle Zuflüsse (einschl. Unterhaltsleistungen) einzustellen. Nach Ansicht des Gerichts führe ein bloßes Ankreuzen des Feldes Hausmann in dem von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zur Statusprüfung zur Verfügung gestellten Fragebogen nicht per se zur unwiderleglichen Vermutung des Status als Hausmann und damit zum versicherungsfreien und beitragsfreien Beschäftigten. Ansonsten wäre einer massenweisen Umgehung der Sozialversicherungssysteme in vielen Branchen Tür und Tor geöffnet. Dieses Urteil widersprach insbesondere der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit in Baden -Württemberg, die eine arbeitgeberfreundlichere Auffassung vertreten hatte (vgl. auch unser Rundschreiben Nr. 1/2023).

Gegen diese Entscheidung, die von vielen Prüfern der DRV vor Allem in Bayern zur Begründung einer Sozialversicherungspflicht ausländischer Saisonkräfte herangezogen wird, hatte der betroffene Landwirt Berufung eingelegt und nun Recht bekommen. Das Bayerische Landessozialgericht hat entschieden, dass es für die Annahme einer nicht berufsmäßigen Beschäftigung darauf ankomme, dass der Lebensunterhalt anderweitig abgesichert sei und die Saisonkräfte nicht im entscheidenden Maße auf das Einkommen aus der Saisonarbeit angewiesen seien und nicht ausschließlich von den Einnahmen aus der Saisonarbeit leben. Aus dem meist großem Lohngefälle zwischen dem Herkunftsland der Saisonkräfte und der Bundesrepublik dürfe aber nicht geschlossen werden, dass in diesen Fällen regelmäßig eine berufsmäßige Beschäftigung vorliege. Denn sonst wäre diesen Saisonkräften die Möglichkeit einer kurzfristigen Beschäftigung grundsätzlich verwehrt. Ein alleiniges Abstellen auf das vergleichsweise hohe Einkommen aus der Beschäftigung in Deutschland würde zu einer Diskriminierung führen.

Ein fehlender Nachweis für das Merkmal der Berufsmäßigkeit gehe nach Ansicht des Gerichts zulasten der DRV.

Der Arbeitgeber sei mit der Statusprüfung anhand des von den Arbeitnehmern ausgefüllten Fragebogens seinen Arbeitgeberpflichten ausreichend nachgekommen. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsauffassung des LSG Baden-Württemberg , wonach der Fragebogen den Umfang der erforderlichen Mitwirkung des Arbeitgebers konkretisiere. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, die im Fragebogen getätigten Aussagen zu hinterfragen oder Nachweise zum Einkommen und Bestreiten des Lebensunterhalts im Heimatland anzufordern. Angaben zur Bestreitung des Lebensunterhalts im Heimatland waren in den der Prüfung zugrundeliegenden Fragebögen noch nicht zu machen. Aber auch die Fragebögen in der aktuellen Fassung sehen das Erfordernis von Nachweisen zur Unterhaltsbestreitung im Heimatland nicht vor, sondern lediglich Angaben der Saisonkraft.

Es ist mehr als erfreulich, dass nach dem Landessozialgericht Baden-Württemberg auch das Bayerische Landessozialgericht, die Beweislast für eine nicht (vollständige) Klärung des Merkmals der fehlenden Berufsmäßigkeit der DRV zuschreibt und die Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers durch die von den Saisonkräften ausgefüllten Fragebögen als ausreichend erfüllt betrachtet.

Der Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e.V. wird  das neue Urteil zum Anlass nehmen, nochmals mit der DRV die für landwirtschaftliche Betriebe, insbesondere solche mit handarbeitsintensivem Sonderkulturanbau, bedeutsame Frage des Nachweises der fehlenden Berufsmäßigkeit zu erörtern.